Bad Gastein – a Ghost Town goes Art

Kunstsommer 

Bad Gastein – a Ghost Town goes Art

Kunstresidenz Bad Gastein – oder – wie das 4. Artist-in-Residence Programm mächtig Anlauf nimmt. Friedrich Liechtenstein war auch dabei. Ausstellung bis 24.10.

Wasserfall in Bad Gastein - sommerfrischekunst

DIE KUNSTRESIDENZ TUT GUT 

Der ehemalige, in den Alpen gelegene, noch heute von Belle Epoque Architektur geprägte, leicht klaustrophobische Ort, galt lange als Kur-Hot Spot des internationalen Jetset. Gekrönte Häupter, Politiker, Intellektuelle, Industrielle, Autoren, Dichter, Maler – sie alle pilgerten nach Bad Gastein. Auch Albert Einstein hatte dort eine Villa und bis heute steht hier der Ohrensessel, in dem er gesessen und nachgedacht hat.

In einem Interview beschreibt der Künstler Friedrich Liechtenstein das Paradox Bad Gastein wie folgt:

Bad Gastein ist ein Raum für Fantasie, in den man sich hineindenken kann. Man wird nicht gleich hinaus geschubst, weil alles schon voll ist.

Das also spannt dem Raum auf, in dem zum vierten Mal in Folge die KUNSTRESIDENZ ihr Abschlusswochenende vom 25. – 27. Juli  feierte. Sie ist ein internationales Stipendiaten- und Artist-in-Residence Programm, ins Leben gerufen und kuratiert von Andrea von Götz und Schwanenfliess, wie immer umgesetzt mit tatkräftiger Unterstützung von Doris Höhenwarter vom Tourismusverband. Eine Sammelausstellung im alten Wasserkraftwerk zeigt die Ergebnisse der acht Künstler. Einen Monat lang haben sie in ihren Ateliers direkt neben dem Wasserfall daraufhin gearbeitet. Sie alle stammen wohlgemerkt aus Großstädten, dieses Jahr aus Hamburg, Tokyo, Berlin und Beirut. Soweit so gut. 

Wer mehr zur Kuratorin, Sammlerin und Kunstförderin Andrea von Götz und Schwanenfliess wissen mag, empfehlen wir unser Interview mit ihr: Andrea von Götz und Schwanenfliess – Scharfes Auge für Junge Kunst

BAD GASTEIN TUT MANCHMAL WEH

Man könnte Bad Gastein mit einer Schatulle vergleichen. Einst war diese Schatulle weit geöffnet und verstrahlte ihren Glanz gleichmässig. Heute ist das anders. Umso größer und direkter ist die Wirkung, wenn man für einen gewissen Zeitraum acht Künstler mit all ihrer Kreativität und Weltanschauungen in diesen Mikrokosmos packt, den Deckel drauf macht und nach einem Monat wieder öffnet. Explosionsartig entweicht das, was sich in unter der Glocke konzentriert gebildet hat. Auch Kohle wird durch Druck zu Diamanten. Das soll überhaupt nicht zynisch klingen, aber bestimmte Facetten können nur durch spezielle Umstände entstehen.

Dieser Schliff ist das, was es Besonders macht. Das zeigt das Stipendiatenprogramm jedes Jahr aufs Neue. Das Echo Bad Gasteins mit all seinen Orten, Geschichten und Menschen formt die Arbeiten mit. Das ist in seiner Vielfalt ziemlich faszinierend und aus kreativer Sicht sehr effektiv.

Die Kunst fließt gewaltig.

Wer einmal in Bad Gastein war, weiss dieser Ort bringt dich genauso schnell ins Schwärmen wie zur Raserei. Zum Beispiel wenn du einen Monat neben einem, also DEM tosenden Wasserfall arbeitest. Der lässt sich natürlich nicht einfach abstellen. Nie. Man kann die Auswirkung vielleicht so verstehen. Wer grundsätzlich eine romantische Seele hat, kann in die Kissen sinken und die Balkontür des Hotelzimmers extra weit auf machen um dem Rauschen des Wasserfalls zuzuhören und dazu einzuschlafen. Wer ein anderes Gemüt hat, wird sich fluchend durch die Nacht wälzen mit dem sehr unromantischen Gefühl neben einer Autobahn zu schlafen.

Das Echo Bad Gasteins, in vielen Fällen der Wasserfall, findet sich in den Arbeiten aller Künstler wieder. 

Siska & Franziska Piewoss

Eines der besten Beispiele wie vielschichtig und durchwirkend der Ort wirkt, kann man in diesem Jahr bei den in Berlin und Beirut lebenden und arbeitenden Künstlern Franziska Pierwoss und Siska erleben. Im alten, „natürlich“ muss man schon sagen für Bad Gastein, leerstehenden Kongresszentrum, das in den 60er Jahren von Gerhard Garstenauer erbaut wurde und damals wie heute viele Kontroversen herauf beschwört, haben sie einen alten Super-8-Film Projektor gefunden. Super-8-Filme waren damals nur für „rich people“. Das passt sehr gut zur Recherche von Franziska und Siska, deren Mittelpunkt die Fiktion einer „Jetset-City“ war, mit Bad Gasteins vielbeschworenen legendären, eleganten Hotels. Auf die Wand ihres Ateliers geworfen, reflektiert die Videoinstallation die geradezu lähmende Morbidität des leerstehenden Ortskerns in unendlichen knarzenden Loops.

Das Rauschen des Wasserfall kann sehr schnell aggressiv machen

sast Siska. Mit jeder Wiederholung nutzt sich das Filmmaterial ein wenig mehr ab, ändert sich die Vibration. Dazu züngelt auf einem Fernseher das Bad Gasteiner Casino in Flammen, abwechselnd mit einer „Postkarten-Jetset Idylle“ aus Beirut aus den 60er Jahren, die nur gestört wird durch einen Kampfjet der den blauen Himmel durchzieht.

Das komplette Gegenteil, eine Art Versöhnung mit Bad Gastein, wenn man so möchte, fühlt man in Aiko Tezukas Atelier.

 Aiko Tezuka

Die Japanerin, die vor allem mit Stoffen und Materialien aus dem 17. Jahrhundert arbeitet, hat mit alten Dirndlschürzen, die sie im legendären Gasthaus und Hotel „Zum grünen Baum“ gefunden hat eine hinreissende Installation kreiiert. Die Flecken einer alten, weißen Tischdecke hat sie mit Goldfaden umstickt, genau wie die Silhouette einer eingestickten Geisha. Ein altes Stickbild, das Franziska und Siska zufällig bei einem Flohmarkt in Bad Gastein entdeckt haben und Aiko mitgebracht haben.

Leicht und lose durch alle Stockwerke ziehen sich Susanne Strohs Arbeiten.

Sie hat sich vor allem von Grillparzer und der Natur inspirieren lassen, arbeitet viel mit Weiss. Schon im ersten Stockwerk fällt man fast in eine ihrer wunderschöne Installationen, perfekt in den gegebenen Räumlichkeiten umgesetzt. Ein Gedicht von Grillparzer – Das Spiegelbild – das im kleinen Vorraum, auf einem Blatt ausgedruckt an den Spiegel geheftet ist wird in den anliegenden Raum in Form von einer Ansammlung von Steinen, die alle eingraviert ein Wort des Gedichtes tragen projiziert. Eine Arbeit die sich ruhig und spielerisch entfaltet und sich theoretisch beliebig neu anordnen lässt.

Diese Ruhe und Präzision findet sich auch in ihren Fensterfolien wieder, die man im Treppenhaus fast übersieht, die ausgestanzt ein fein gewebtes durchlässiges Lochmuster ergeben. Es sind Naturgedichte in Blindenschrift. Dahinter lässt sich schemenhaft die tatsächliche Natur, das Grün um das Kraftwerk herum erahnen. Superschön!

courtesy Werner Gritzbach - Susanne Strohcourtesy Werner Gritzbach - Michael Conrads

Der Berliner Künstler Michael Conrads hingegen hatte eine Art künstlerischen Durchbruch. Der Ort und Austausch in der Gruppe haben ihn zu einer neuen Herangehensweise inspiriert. Beim Betreten seines Raums, befällt einen eine Art Ausatmen. Flächen, die sich Platz machen und geben. Der prozessuale Ablauf seiner Arbeit lässt sich in den Werkzeugen und Materialen wie Aquarellfarbe, Ölkreide, Blattgold, Schleifpapier, Sprühdosen nachvollziehen. Auch die vor seinem Fenster stehende eingeglaste Skulptur  aus der Zeit der Nationalsozialisten, wurde von ihm relativ schamlos kurzerhand „bearbeitet“.

Was das Bienensterben, die Radonbäder und Oskar, Sohn von Kuratorin Andrea von Götz und Schwanenfliess mit Dirk Meinzers Arbeiten zu tun haben, lässt man sich am besten vor Ort erklären. Sie sind aber gleichzeitig ein weiteres Beispiel dafür wie hier alles zusammenläuft, sich verbindet und Neues ergibt. Nur soviel sei gesagt, Meinzer hat sich mit Absicht ob der gewaltigen Natur und Geschichte um in herum mit seinen Arbeiten zurückgenommen. Das gibt seinem Raum und temporären Atelier neue Chemie und Harmonie. Seine Werke verdichten die komplette Schwingung des Raumes.

courtesy Werner Gritzbach - Dirk Meinzer

Natürlich ist der eigentliche Star hier Bad Gastein selber. Seine hinreissende Mischung aus wilder Natur, Kur-Kitsch, altmodischen Schaufenstern, imposanten alten Glanz verströmenden Hotels, neben trashig, modernen Skitourismusfunktionalitätsarchitektur  ist einfach zu gut. Nicht ohne Grund hat Friedrich Liechtensteins sein neues Album auch Bad Gastein gewidmet und als Mittelpunkt. 

Ausstellung // Kunstresidenz Bad Gastein

Die Ausstellung läuft noch bis 24. Oktober, also viel Zeit um in das Mysterium Bad Gastein abzutauchen.