Das Kalkwerk – Schaubühne Berlin

Theaterkritik 

Das Kalkwerk – Schaubühne Berlin

Theatertip Berlin: Expressive Szenen einer Ehe in Thomas Bernhards „Das Kalkwerk“ in der Berliner Schaubühne.

Das Kalkwerk – Kritik

Er arbeitet seit 20 Jahren an einer Studie des Hörens und bringt sie einfach nicht zu Ende. Seine Frau dient ihm als Objekt. Sie soll hören, horchen, an- und zuhören. Sie versucht es bis zur Verzweiflung, allein sie kann es nicht. Beide gleiten ab in die Pathologie der alltäglichen Rituale bis in den Irrsinn der Verzweiflung.

Felix Römer spielt beide Rollen mit derartiger Wucht und Expression, dass der sperrige Text nach dem Roman von Thomas Bernhard in der Bühnenfassung und unter der Regie von Philipp Preuss zu einer großartigen Chiffre zu Szenen einer Ehe wird.

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Immer mehr enthüllen sich wissenschaftliche Studie und Kalkwerk als Chiffren menschlicher Unzulänglichkeiten. Das Experiment des Hörens und Zuhörens, des menschlichen Miteinander will einfach nicht gelingen. Die Gespräche werden in ihren Wiederholungsmustern zur Folter, aus den nur die Stille befreit.

Auf einem Stuhl im Kubus der silbrig glänzenden Bühne verkörpert Felix Römer von Anfang an die Inkarnation einer gepeinigten Kreatur im Wechsel von Mann und Frau. Trotz der Doppelrolle arbeitet er die gequälten Physiognomien überaus differenziert heraus, die sich in überdimensional Projektionen immer mehr ähneln, sich zur Deformation des Menschseins intensivieren. Mit hängender Zunge, die Nase plattgedrückt, die Haut verzogen visualisiert sich das Bewusstsein von Armseligkeit und Verwahrlosung zur hilflosen Kreatur, die nur noch zu gutturalen Urlauten fähig ist.

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Gespräche reduzieren sich auf Laute, Geräusche, Gekratze. Die Rituale werden zur Folter. Hilfe von außen ist nicht zu erwarten, schüren nur zusätzliche Ängste, die eigenen Lebensziele nicht zu erreichen. Die schönen Erinnerungen sind eingestaubt. In einer furiosen Szene wälzt sich Fritz Kröner abwechselnd in einem ausgeschütteten Teppich von Mehl, Ei und Semmelbröseln im Walzertakt, verwandelt sich satirisch zum Wiener Schnitzel des Ehe- und Lebensirrsinns. Die roten Lippen wirken nun blutig in memoria der Ermordung seiner Frau.

Text: Michaela Schabel / Fotos: Thomas Aurin

Das Kalkwerk – Weitere Termine

von Thomas Bernhard / Regie: Philipp Preuss

27.02.2016, 19.00 – 20.15
28.02.2016, 19.30 – 20.45
01.03.2016, 19.30 – 20.45
17.03.2016, 20.00 – 21.15
19.03.2016, 20.30 – 21.45