Der feurige Engel – Komische Oper Berlin

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Der feurige Engel – Komische Oper Berlin

Review zur mitreißenden Inszenierung von Prokofjews einziger Oper „Der feurige Engel“ in der Komischen Oper Berlin

Der feurige Engel feiert seinen Durchbruch

Hinter den Klostermauern schießt eine Feuerfontäne hoch. Renata verbrennt als Hexe, die logische Konsequenz für eine Frau im Mittelalter, die ihre Liebessehnsucht stillen will.

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Erst 1955 in Venedig szenisch uraufgeführt, blieb Prokofjews religiös überfrachtete Liebesgeschichte jahrzehntelang wenig beachtet. Zu sperrig schien das Libretto nach dem Roman des russischen Symbolisten Walerij Brjussow (1908), inspiriert von deutscher mittelalterlicher Literatur inklusive Faust und Mephistopheles, zu vielschichtig, modern Prokofjews Musik, die in ihrer ekstatischen Verwobenheit mit den traditionellen Arienmustern bricht. Jetzt steht „Der feurige Engel“ auf mehreren Bühnen der großen Opernhäuser auf dem Programm und wird frenetisch bejubelt.

In Berlin entwickelte Regisseur Benedict Andrews zusammen mit Bühnenbilder Johannes Schütz und Kostümbildnerin Victoria Behr ein spannendes dramaturgisches Konzept für die zweieinviertelstündige Oper, in der Renatas Geschichte ganz textnah und anschaulich nacherzählt wird.

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Mehrfach dupliziert zieht Renatas Leben auf der Drehbühne vorbei. Zunächst noch Mädchen mit der Puppe erscheint ihr als Teeny der feurige Engel, den sie inbrünstig liebt, der von ihr die körperliche Vereinigung fordert und ihr das Versprechen ewiger Treue abfordert und ihr verspricht ihr als Mensch zu begegnen. In Heinrich glaubt Renata den Engel wieder zu finden. Sie liebt ihn, er verlässt sie und ein anderer, Ruprecht, wird zum Lückenfüller diesen Heinrich zu suchen. Ruprecht verliebt sich in Renata, mordet Heinrich, worauf Renata ins Kloster flüchtet. Dort überträgt sich ihre Liebessehnsucht auf die anderen Nonnen. Eine große Unruhe greift um sich, weshalb der Inquisitor Renata den Teufel austreiben will. Der Exorzismus misslingt. Renata schwört ihrer Liebe nicht ab und wird verbrannt.

Mit ungeheurer Ausdruckskraft setzt Svetlana Sozdatelevas diese Renata in Szene. Nein, sie ist keine Verführerin, sie trägt nicht das Rot der Erotik. Im pinkfarbenen Kleidchen wirkt sie als reife Frau noch wie ein unschuldig ängstliches Kind. Statistinnen visualisieren die inneren Stimmungen und Spannungen dieser Kindfrau, vibrieren mit der Musik in orgiastischer Verzückung.

Fast pausenlos auf der Bühne singt Svetlana Sozdateleva in mitreißender Emotionalität zwischen Angst und Leidenschaft, Angriff und Abwehr, Schuld und Gewissheit. Ihre Stimme durchdringt das Toben des Orchesters, macht himmlische Visionen hörbar, überschwebt die Macht des Nonnenchores in markanter Klarheit. Umwerfend schön kontrastiert dazu Jens Larsens mächtiger Bass, während Evez Abdulla als Ruprecht stimmdynamisch zu stark im Hintergrund bleibt.

Xenia Vyaznikova (Wahrsagerin), Christiane Oertel (Wirtin), Dmitry Golgovnin (Mephistopheles), Christoph Späth (Buchhändler) setzen stimmliche Akzente, sorgen für zusätzliche dramaturgische Effekte, zuweilen drastisch starke Bilder, wenn Mephistopheles einen abgedrehten Menschenarm vertilgt, in einer ansonsten überaus reduzierten Szenerie.

Im Schwarz des Kosmos wirken die grauen Wände der Umhausungen, die ständig umgebaut werden, fragil, die Menschen verloren. Umso mehr verdichtet sich Renatas Liebessehnsucht zur mystischen Sinnsuche, die irdische Männer nicht sättigen können. Mit nachtwandlerischer Gewissheit folgt sie ihrer inneren Stimme der Liebe bis in den Tod.

Durch diese traumatisch Bildmagie und das subtile, sehr präzise Dirigat Vassily Sinaiskys gelingt Prokofjews komplexe Geschichte des „Feurigen Engel“ in der Berliner Version als spannende, einfach nachvollziehende Inszenierung, allerdings ohne zu euphorischen.

Weitere Vorstellungen // Komische Oper Berlin

10. Januar 2016, 18:00 Uhr

Text: Michaela Schabel // Fotos: Iko Freese, drama-berlin.de