Der Vampyr in der Komischen Oper

Opernkritik 

Der Vampyr in der Komischen Oper

Die Neufassung Heinrich Marschners Oper „Vampyr“ als effektvoll gruseliger Musik- und Filmmix begeistert das Publikum in der Komischen Oper in Berlin.

Ein leerer Sarg auf der Bühne.

Gentleman Aubry spaziert auf einer Rampe um das Orchester herum, hautnah an der ersten Zuschauerreihe. Er schwingt seinen Radmantel, als flöge er gleich wie Fledermaus davon, das Ende vorwegnehmend, aber noch ist es nicht soweit. 

Raffiniert verwandelt Regisseur Antú Romero Nunes  Heinrich Marschners Oper in ein grausig unterhaltsames Gruselkabinett. Er kürzt von 3 Stunden Singspiel auf pausenlos spannende 90 Minuten und mischt dabei äußerst effektvoll diverse  Filmgenres. Lord Ruthven erscheint aus der Tiefe wie ein Zombie, holt sich gierig  aus dem Publikum sein erstes Opfer, dem er blutlüstern das Gesicht abzieht und überlässt den Rest der gierig der kannibalischen Meute.  Währenddessen brodelt das Blut in einer riesigen Sanduhr als Herzschlag  eines bühnenumspannenden Fledermausskeletts. Das ist nichts für zarte Gemüter und macht Ekel mitunter als Körperreaktion spürbar!

Komische Oper: Der Vampyr

Die Zeit läuft. Noch drei Opfer braucht Vampir Lord Ruthven für ein weiteres Lebensjahr.

Die Szenerie verwandelt sich in ein Opernhaus, später in stürzenden Bauten a la Stummfilmoptik. wo er  auf Jagd ausgeht, Emmy verführt und  trotz beherzten, aber letztendlich erfolglosen Widerstands Aubrys, ihn selbst und dessen Liebste ins Reich der Vampire holt. 

Der Vampirismus ist nicht totzukriegen und avanciert  mit dieser Neufassung Antú Romero Nunes in Splatter- und Stummfilmoptik, erweitert durch moderne Kompositionsteile von Johannes Hofmann. Durch seine dissonante Untermalungsmusik baut die Inszenierung zusammen mit dem changierenden Bühnenbildern (Matthias Koch), gruseligen Lichteffekten (Diego Leetz) und parodistisch abgefahrenen  Kostümen (Annabelle Witt) einen filmischen Spannungscharakter auf, der die Zuschauer absolut in seinen Bann zieht. 

Unter der pfiffigen Personenregie von Antú Romero Nunes agieren die Sänger wie Musicaldarsteller, sängerisch, schauspielerisch und tänzerisch mitreißend, allen voran Nichole Chevalier als Wirbelwind Malwina. Herrlich derb kokett als wäre sie gerade der Commedia dell´Arte entsprungen spielt und koloriert sie alle Register burlesker Verführung.  In barocker Robe, dauenbettgerüscht, gelingt eine entzückende Verführungsszene. Nicht minder charmant und souverän, mit bezaubernder Ausstrahlung interpretiert Mezzosopranistin Maria Fiselier als Emmy den Wandel vom schönen Mädchen in eine lasziv willenlose Vampirbraut. 

The-Vampyr-Komische-Oper

Das funktionierte alles nicht so spannend wäre Heiko Trinsinger nicht dieser brachiale Vampirverführer.

Mit körperlicher und gesanglicher Präsenz wird er zur Inkarnation des Bösen, in höfischer Verkleidung ein Dämon wie aus „Herr der Karibik“. Jens Larsen setzt als  Lord Davenaut, Vater Malwinas, mit sängerischer Vehemenz dagegen, gleichzeitig karikiert  von seinem surreal überstreckten Zylinder als Zeichen seiner einfältigen Machtversessenheit. Wie sympathische, doch vollkommen hilflose Marionetten konzipiert  Nunes   die Verlobten Aubry  (Zoltán  Nyári) und Dibdin (Ivan Tursic).

Diese charmanten Ironismen kontrastieren bestens zum Splattereffekt des Zombiechores. Selbst Dirigent Antony Hermus wird in das Spiel mit einbezogen. Sterbend als Zombie bläst er auf der Stimmgabel „Das Lied vom Tode“ an und dirigiert blutreanimiert  auf der Bühne sitzend weiter.

Der-Vampyr-Komische-Oper-Berlin

Bei so viel Spektakel vergisst man die mäßige Kompositionsqualität Heinrich Marschners, den indifferenten Bombasmus der Tutti, die Durchschnittlichkeit der  Melodien.  

Allein die schmissige Neufassung von Antú Romero  Nunes und Dramaturg  Ulrich Lenz macht aus dem „Vampyr“ einen publikumswirksamen, Musical afinen Opernhit. 

Text: Michaela Schabel // Fotos: Iko Freese