ARNDT Berlin: Wo steht die zeitgenössische Tibetische Kunst?

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ARNDT Berlin: Wo steht die zeitgenössische Tibetische Kunst?

Die Ausstellung PARALLEL REALITIES bei ARNDT Berlin zeigt bis zum 31.1.2015 die beeindruckende Perspektive von 5 zeitgenössischen tibetischen Künstlern auf Tibet.

Parallel Realities bei Galerie ARNDT Berlin

ARNDT Berlin zeigt Parallel Realities 

In der Galerie ARNDT Berlin hängt mit PARALLEL REALITIES noch bis zum 31. Januar 2015 eine beeindruckende Ausstellung, die das so gegensätzliche Tibet aus Sicht von fünf zeitgenössischen tibetischen Künstlern nach Berlin bringt. Tibet selbst existiert in unterschiedlichen Realitäten. Ist sowohl ein Teil Chinas und gleichzeitig etwas völlig davon Getrenntes. Je nach Blickwinkel schimmert Tibet zwischen mythologischem Shangri-la und besetztem, schnell industrialisiertem Land. Kein Wunder, dass die Suche nach Geist und Heimat für das tibetische Volk immer präsent bleibt.

Galerist Matthias Arndt, der wie ihr sehr wahrscheinlich wisst, eine hervorragende Hand für Kunst und Künstler aus dem (ost-) asiatischen Raum besitzt, hat mit Gade, Kesang Lamdark, Nortse, Tenzing Rigdol und Tsherin Sherpa Künstler ausgesucht, die in Tibet, Indien und Nepal geboren sind, aber inzwischen rund um den Globus leben und arbeiten. Alle fünf Künstler entstammen einer Generation, die sich damit beschäftigt und vielleicht auch beschäftigen muss, was es bedeutet, heute Tibeter zu sein. Dazu gehört auch die Tatsache, dass sich die Kunst dort radikal nach der Öffnung des Landes nach 1959 verändert hat.

Parallel Realities bei Galerie ARNDT BerlinNortse in Parallel Realities bei ARNDT Berlin

Vor 1959 stand die Kunst in Tibet im Auftrag des Rituellen  

Künstler in Tibet zu sein, bedeutet damals vor allem Auftragsarbeiten zu Kunstobjekten für die buddhistische Meditation umzusetzen. Ihre Arbeiten zu Gottheiten, Meistern oder kosmologischen Szenen mussten sich an präzise und komplexe ikonografische Regeln halten. Kein Abweichen war erlaubt, da das Gemälde oder die Skulptur dann nicht mehr für religiöse Rituale geeignet war.

Nach der Invasion in Tibet 1959 zog es viele Tibeter nach Nepal und Indien, wo sie ihr Kunsthandwerk für buddhistische Sekten außerhalb ihrer Familientradition anboten. Neben den Herausforderungen, die damit einher gingen, erlebten die Künstler in dieser Zeit auch eine zaghafte Lockerung der kreativen Beschränkungen und stellten z.B. Kunstwerke mit indischen Figuren wie etwa Gandhi für Orte her, die bislang buddhistischen Meistern vorbehalten waren.

Mit dem Touristenstrom, der in den 60ern in die Länder des Himalayas floss, wurden die Gemälde plötzlich aufgrund ihrer psychedelischen Schönheit anstatt für ihre rituelle Verwendung nachgefragt. Neue Manufakturen entstanden und die traditionelle buddhistische Ikonografie ging in den Mainstream der Popkultur über und macht es für die jüngere Generation unattraktiv, das traditionelle Handwerk zu lernen.

With Great Power Comes Great Entertainment, 2014Tenzing Rigdol, With Great Power Comes Great Entertainment, 2014, collage, silk brocade and scripture, 183 x 183 cm

Multiple Protector II , 2014Tsherin Sherpa, Multiple Protector II (red), 2014, Gold leaf, acrylic and ink on cotton, 122,00 x 915,00 cm

Radikale Vermischung in der neuen Kunst Tibets

Die Künstler dieser Generation fingen an zu reisen und teilweise westliche Kunstakademien zu besuchen. Als sie zu erforschen begannen, was es bedeutet, in der heutigen Welt Tibeter zu sein, kam es zu einer kreativen Explosion: Einflüsse aus Hollywood, Bollywood, Politik, Cartoons und TV-Shows machten sich in ihren Werken bemerkbar.

Insbesondere Andy Warhol hat mit seiner Auflösung und Neuinterpretation „hoher“ und „niedriger Kunst“ den Weg für die Mischung kultureller Bezüge aus Ost und West geebnet.

Heute leben einige dieser Künstler weit weg von Tibet und haben ihr Land noch nie besucht, während andere immer wieder dorthin zurückkehren und die Dringlichkeit der Bedürfnisse der Menschen hautnah erfahren. Der Geist des tibetischen Volkes erhebt sich aus der Asche dieser alten Traditionen.

Genau hieran knüpft die Ausstellung PARALLEL REALITIES bei ARNDT Berlin an. An ein  Tibet, das sich mit der persönlichen Realität jedes einzelnen Künstlers neu präsentiert. Sehenswert, unbedingt. 

Gruppenausstellung PARALLEL REALITIES bei ARNDT Berlin in Kooperation mit Rossi & Rossi // Kuratiert von Tsherin Sherpa
Laufzeit: 26. Oktober – 31. Januar 2015
Galerie ARNDT Berlin // Potsdamer Strasse 96 // 10785 Berlin

Über die Künstler

Lost Spirit, 2014Tsherin Sherpa, Lost Spirit, 2014, Gold leaf, acrylic and ink on cotton, 80,00 x 1168,00 cm

Gade (1971 Lhasa; lebt und arbeitet in Lhasa), der aus einer tibetisch-chinesischen Familie stammt, besitzt eine besondere Art heutige Gegebenheiten aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Er half die Gedun Choephel Artist Guild zu etablieren, trotz der Anstrengungen, in Lhasa tätig zu sein. Sein aktuelles Werk vereint buddhistische Gebetsperlen, die Waffen- oder Herzformen anmuten lassen und die auf Yakhaut aufgenäht sind.

Nortse, 1963 in Tibet geboren, wo er heute noch lebt und arbeitet, stammt aus einer tibetischen Familie. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich mit aktuellen Begebenheiten und verwendet hierfür Selbstporträts und Symbole, welche die veränderten Umwelteinflüsse sowie Zerstörungen zum Ausdruck bringen sollen.

Kesang Lamdark, 1963 in Dharamsala, Indien geboren, lebt und arbeitet in Zürich. Mit der buddhistischen Lehre aufgewachsen kommt er in ein Schweizer Pflegeheim. Sein Werk hinterfragt dieUnterschiede zwischen dem Geistlichen und dem Profanen. Zum einen arbeitet Lamdark mit gewöhnlichen Materialien, wie Bierdosen, die er als Leinwandträger verwendet zum anderen mit einer Nadelstichtechnik auf Leinwand, die beleuchtet wird.

Tenzing Rigdol wird in ein tibetisches Flüchtlingslager in Kathmandu (Nepal) 1982 geboren und arbeitet heute in New York City. Seine Arbeiten zeigen die Unmittelbarkeit des politischen Bewusstseins durch die Verwendung von Collagen.

Tsherin Sherpa, der 1968 in Nepal geboren wurde und aus einer tibetisch-nepalesischen Familie stammt, kombiniert diese beiden Kulturen, vermischt sie jedoch mit der unmittelbaren Umgebung Kaliforniens, seine derzeitige Heimat. Er verbindet die traditionelle tibetische thangka-Malerei und deren konventionellen Symbole und Techniken mit moderen Materialien wie Blattgold. In seinen Werken versucht er die Probleme heutiger Gesellschaften historisch als auch zeitgemäß zu erforschen.

Fotos: Installation view‘s:  Parallel Realities – Contemporary Tibetan Art, Group exhibition at Arndt Berlin, in collaboration with Rossi & Rossi/ Curated by Tsherin Sherpa, October 26, 2014 – January 31, 2015 // Photo: Bernd Borchardt