Philipp Fürhofer: Wie man Oper mit bildender Kunst atmen lässt.

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Philipp Fürhofer: Wie man Oper mit bildender Kunst atmen lässt.

Der junge Maler Philipp Fürhofer hat neben seinen Arbeiten als Künstler, auch einen Namen mit imposanten Bühnenbildern gemacht. Wir waren mit ihm in der Royal Opera in London, wo er für Verdi’s schwierigste Oper das Bühnenbild geschaffen hat. Heute Abend (4.11.) wird die Oper bundesweit live in alle großen Kinos übertragen.

Philipp Fürhofer. Bühnenbild Royal Opera London. Foto: Tino-SeubertPhilipp Fürhofer. Bühnenbild Les Vepres Siliciennes. Royal Opera House London. Foto: Tino Seubert

Mit Philipp Fürhofer in London – Covent Garden Royal Opera House.

Irgendwo in einem Glaskasten im Labyrinth des Komplexes sitze ich dem Künstler und jungen Maler Philipp Fürhofer gegenüber. Der aus Augsburg stammende, in Berlin lebende 31-Jährige fällt uns das erste Mal vor ein paar Monaten auf, als wir die Kunstsammlerin Andrea von Götz und Schwanenfliess interviewen und sie vorschlägt unser Gespräch in Philipps Atelier zu machen, einer Tiefgarage in Moabit. Da steht er kurz vor der Abreise nach London, es geht in die letzte heiße Phase vor der Opernpremiere zu Verdis´Oper „Les vêpres siciliennes“. Fürhofer, der vor allem für seine Bildkästen-Installationen bekannt ist, deren Wirkung und Tiefe er durch Licht steuert, entwickelt das Bühnenbild für diese schwierige Oper.  Es ist nicht sein erstes Bühnenbild, aber sicherlich eines der größten.

Als ich den Katalog von Philipp durchblättere zieht sich mein Herz beim Anblick der Arbeit „Der Morgen alias C. Lorrain“ zusammen. Sie löst Assoziationen in mir aus, die ich in ihrer Konsequenz und Zeitlosigkeit nur aus der Oper kenne. Ich lese, dass das Bild in einer Privatsammlung in München hängt – unerreichbar also. Na gut.

Selbst eine glühende Opernanhängerin, möchte ich mehr erfahren und reise nach London, wo einen Tage später die Premiere der Oper aufgeführt werden soll – Fünf Akte. Fast vier Stunden Oper. Schwere Kost? Ich wandere mit Philipp Fürhofer durch die Kulissen der Royal Opera.

Philipp Fürhofer in der Royal Opera. Foto: Christopher FieldsPhilipp Fürhofer im Royal Opera House London. Foto: Christopher FieldsPhilipp. FürhoferDas Atelier in Berlin von Philipp Fürhofer. Foto: Raphael Mathes

Philipp Fürhofer: Wie macht aus Musik und Kunst Bühnenbilder?

Philipp, erzähl, wie war dein allererstes Oper Erlebnis?

Mit 15 habe ich die erste Oper gesehen, die mich wirklich gepackt hat. Es war eine Aufführung der „Walküre“ am Stadttheater Augsburg. Ich kann mich vor allem an den traumartigen, völlig abgehobenen und sphärischen Sog der Musik und des Bühnenbilds erinnern.
Für mich war die musikalische Qualität damals noch zweitrangig. Ich hatte ja auch gar keine Ahnung davon. Was mich wahnsinnig fasziniert hat, damals wie heute, ist die Konzentration der Musiker und der Zuschauer und die Energie des Zusammenwirkens. Das war völlig konträr zu meiner sonstigen Lebenswirklichkeit als Schüler.

Erlebst du das auch so in deinen Ausstellungen?

Das ist etwas anders, weniger ein intensives Kollektiverlebnis. Wenn ich meine Kunst veröffentliche, ist ja alles fertig, wird nur noch vorgeführt und die Energie vermittelt sich jedem Betrachter viel stiller und teilweise auch über andere Zeiträume.

Du sagst, wenn du am Theater oder an der Oper bist vermisst du dein Atelier und umgekehrt. Wie erklärst du die Parallelen zwischen deiner bildenden Kunst, Oper und Bühnenbild jemanden, der nichts mit Oper am Hut hat?

Für mich liegt die Verbindung in dem ganz plastischen Rahmen, der die Opernbühne als auch die Kanten meiner Bildkästen markiert. Er grenzt etwas von der „normalen“ Welt ab und macht es gleichzeitig dadurch exemplarisch. Beides funktioniert wie die klassische Guckkastenbühne, man betrachtet von vorne ein Spektakel, eine Illusion, die nie „Wirklichkeit“ sein will, sondern immer nur Abbild und Erfindung. Auch meine Kästen sind ja eine Verklebung unterschiedlichster Disziplinen, Malerei mit Objekt, Leuchtstoffröhre mit Plastikfolie, Partybechern und Kabeln.

Philipp Fühofer in der Royal Opera. Foto: Christopher FieldsPhilipp Fürhofer. Bühnenbild Les Vepres Siliciennes. Royal Opera House London. Foto: Tino SeubertPhilipp Fürhofer. Bühnenbild „Les vêpres siciliennes“ – Royal Opera House London. Foto: Tino Seubert

Les Vepres siciliennes_„Les vêpres siciliennes“ – Royal Opera House London. Foto credit: Bill Cooper

Für das Bühnenbild zu „Les vêpres siciliennes“ hast du mit dem Opernregisseur Stefan Herheim zusammen gearbeitet, der in der Szene als Enfant Terrible bezeichnet wird. Wie kann ich mir das vorstellen?

Die Arbeit mit Stefan ist vor allem geprägt von unendlich viel Musikhören. Für uns beide ist die Musik die wichtigste Bezugsquelle. Wir haben meistens mit Assoziationen oder Stimmungen begonnen, die wir aus einem Stück herausfühlten und vermitteln wollten. Das war ein gemeinsamer, jahrelanger Prozess, in dem wir gehört und diskutiert haben bis ich z.B. die perfekte Färbung und Zusammensetzung der goldenen Balkone und der Decke gefunden hatte, eine Spezialmischung aus Autolack.

Wir wussten bei „Les vêpres siciliennes“ lange nicht, wie wir die politische Situation des Stücks, die Feindschaft zwischen Franzosen und Italienern glaubhaft vermitteln konnten, ohne plumpe Clichés zu bedienen. Verdi charakterisiert die beiden Lager nie eindeutig, sie sprechen in der Oper die gleiche Sprache und singen die gleiche Musik. Das Ganze ist völlig austauschbar, da sich die Seiten in jedem Akt vertauschen, als gäbe es eine unsichtbare Symmetrieachse.

Wie habt ihr das gelöst?

Wir haben ein Bühnenbild entwickelt, das sich der Theater-Metapher bedient und in dem sich alles spiegelt. Von Links nach rechts und zurück, bis klar wird, dass es hier nicht um feste Rollenverteilungen geht, sondern genau um das Spiel der Rollen.

Die Entscheidung das Bühnenbild der Oper als Theaterkulisse zu inszenieren ist schlichtweg genial, stellen wir fest, als wir einen Tag später in der Oper zur Premiere sitzen. Ort der Handlung ist ein Theater in Paris im Jahr 1855, also dem Jahr der Uraufführung der Grand Opera Verdi´s. Prunkvolle vergoldete Ränge und Balkone, ineinander übergehende Stuckdecken und Spiegelwände, alles in satten und schweren Farben, dunkles Rot, ein dichtes Gold, samtenes Schwarz. Im Hintergrund in der Ferne zu sehen, der explodierende Vesuv. Die Ballerinen, eines der wichtigsten Merkmale der Grand Opera bilden einen leicht erotischen und hell blendenden Kontrast vor diesem Labyrinth, der menschlichen Abgründe. Für die Protagonisten und Zuschauer gleichermaßen ist die Spiegelung und Illusion eines Ausweges vom Ort des Geschehens ständig sicht-und greifbar und dennoch eine Illusion.

Philipp Fürhofer: Atelier MoabitPhilipp Fürhofer.Atelier.Moabit

Was wirst du als Nächstes umsetzen?

Ich denke viel darüber nach, wie ich meine Kästen noch größer inszenieren kann, als begehbare Installation zum Beispiel. Vielleicht, um noch mehr performatives und kollektiv Erlebbares in die Malerei zu bringen.

Philipp Fürhofer hat dem Opernspektakel auf elegant-subtile Weise ein lang nachwirkendes, innerlich schwingendes Ausrufezeichen hinzugefügt, das der Verworrenheit und Absurdität dieser Oper, Luft zum Atmen gibt. Als im letzten Akt Erwin Schrott als fanatischer Jean Procida, der eigentliche „Spiritus Rector“ des sizilianischen Aufstandes, in einem „Cross-dressing“ Kostüm die Bühne betritt, oben Militäruniform – unten Tütü hat sich diese, in Vergangenheit oft stiefmütterlich behandelte Oper Verdis unausweichlich in das Bewusstsein aller Zuschauer eingebrannt.

Da capo!

Interview: Esther Harrison

OPER IN LONDON & LIVE ÜBERTRAGUNG am 4. November 2013

Die Oper „Les vêpres siciliennes“ läuft in London noch bis zum 11. November in der Royal Opera
Am 4.11. wird die Oper bundesweit live aus der Royal Opera in alle großen Kinos übertragen: Uhrzeit: 18:45 Uhr – 23:30 Uhr

Kommende Produktionen & Ausstellungen

  • „on/off relation“ Schmidt & Handrup Galerie in Köln. Vernissage 7.11.  bis 21.12 2013
  • „Alcina“ von G.F. Händel, Luzerner Theater, Bühnenbild. Regie: Nadja Loschky Premiere 11.1. 2014
  • „diasphere“ Sabine Knust  Galerie München.  Ende Mai 2014. Es erscheint ein gleichnamiger Katalog zur Eröffnung bei Hatje Cantz mit den Werken der letzten Jahre sowie allen Bühnenbildern.

Mehr zu Philipp Fürhofer auf seiner Webpage 

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WER IST DER KÜNSTLER?

Philipp Fürhofer, 31 Jahre alt, 1982 in Augsburg geboren, besuchte eine musische, katholische Klosterschule und verbrachte die Nachmittage damit, „die Rosen im Klostergarten zu malen“ . Seinen Meisterschüler hat er 2008 an der UDK Berlin absolviert. Fürhofer bezeichnet Lovis Corinth und Paul Cézanne als seine Jugendhelden. Natur und Landschaften sind ein fester Bestandteil seiner Arbeiten. Seinen Meisterschüler hat er an der UDK Berlin gemacht, wo er auch lebt und arbeitet.

Preise und Stipendien (Auswahl)

2011 // Kunstresidenz Nextgastein, Bad Gastein Österreich
2009  // Karl Hofer Gesellschaft/Interroll – Art and Spirit, Tessin, Schweiz

Theaterarbeiten

2013 //  Badisches Staatstheater Karlsruhe, „Die Passagierin“ von Weinberg (Premiere 18. Mai 2013)
2011 // Bühnenbild für die Oper „Eugen Onegin“ von Tschaikowsky unter der Regie von Stefan Herheim in De Nederlandse Opera, Amsterdam
2008 // „Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók mit einer Installation von Philipp Fürhofer in der Galerie Aedes East, Pfefferberg, Berlin

Einzelausstellungen              

2012  // Breakthrough, Bayerisches Nationalmuseum, München
2011  // Hitzefrei, Galerie Carolyn Heinz, Hamburg
2010 // „Plastic Romanticism“, Grantpirrie Gallery, Sydney, Australien
2009 // „Life Is Out There“, NotFair Gallery und Accademia Brera, Mailand, Italien