Katie Armstrong im Eigen + Art Lab. Bravo!

 

Katie Armstrong im Eigen + Art Lab. Bravo!

Katie Armstrong hat gerade mit zarten 25 ihre Ausstellung im Eigen+Art Lab eröffnet. Ein Gespräch über Berlin, NYC und den Sound im Badezimmer von Judy Lybke.

Katie Armstrong

Katie Armstrong: Tusche. Talent. Und Filme im Lab von Eigen+Art

Ein meerjungfrauenähnlicher Gesang empfängt die Besucher der Ausstellung im Lab von Eigen + Art, an der langen Wand im Flur hängen viele Tuschezeichnungen und in den beiden abgedunkelten Räumen laufen die Animationsfilme, die aus den Tuschearbeiten entstanden sind. Jede Zeichnung wird per Hand angefertigt und anschließend gescannt. Am Computer passt die Künstlerin diese Zeichnungen einander an. Unterlegt sind die Videos mit dem Gesang der New Yorkerin und ihren Ton-Aufnahmen von Regen, Gewitter und Sturm. Ein wenig aufgeregt wirkt die 25-Jährige vor ihrer ersten Einzelausstellung im Eigen + Art Lab, wir setzen uns an den einzigen freien Tisch gleich am Eingang und öffnen während des Interviews die Tür für Judy Lybke, den DHL-Boten und einen Mitarbeiter der benachbarten Galerie Michael Fuchs. Trotzdem genau die richtige Stimmung, um mit der jungen Künstlerin zu reden, denn Katie Armstrong wirkt zwar wie die nette Studentin aus Brooklyn zeigt in ihren Arbeiten aber eine große Emotionalität, ein Gespür für Stimmungen und Menschen, eine Tiefe, die berührt.

Katie, aus Deinen Tuschezeichnungen machst Du in einem sehr aufwendigen Verfahren Animationsfilme – wie bist Du dazu gekommen?

Gezeichnet habe ich seit ich denken kann und es war immer klar, dass ich zur Art School gehen würde. Dort habe ich erst fotografiert, dann wollte ich alles ausprobieren vom Zeichnen über Skulpturen – ich hatte mein Medium noch nicht gefunden. Als ich dann meinen ersten Stop-Motion-Film produziert habe und die Kamera von einem Bild zum anderen schwenkte, da gab es einen Moment und ich wusste: Genau das ist es, was ich will. Bei den Filmen kann ich Ideen und Dinge zusammen fügen, alles mit Musik unterlegen und dann ist es wie ein Choreographie, wie ein Tanz. Das Zusammensetzen mit der Musik, dazu die Bewegung, das kenne ich gut, weil ich 18 Jahre als Tänzerin trainiert habe. Meine Zeichnungen in Bewegung und Musik umzusetzen ist dann zu einer Obsession geworden. Es fühlt sich genau richtig an. Und wenn Du einmal weißt, etwas ist richtig, dann gibt es kein Zurück.

Katie ArmstrongKatie Armstrong: Video im Eigen+Art Lab

Die Musik und den Ton zu den Filmen produzierst Du selbst. Dein Gesang ist elegisch und rhythmisch zugleich. Teilweise singst Du, teilweise nutzt Du Tonaufnahmen aus Deiner Umgebung. Was kommt zuerst: Die Idee, die Zeichnung, die Musik?

Die Musik ist immer zuerst da. Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie, alle spielen ein Instrument und mein Vater ist Musiker und spielt in einer Band. Bei uns wurde immer musiziert und gesungen, das ist für mich ganz selbstverständlich und so fange ich bei meinen Arbeiten mit dem Sound an. Als ich nach Berlin kam für meinen Arbeitsaufenthalt im Herbst hatte ich den Plan, keinen Plan zu haben. Ich hatte mir das fest vorgenommen. Dann habe ich in der Wohnung von meinem Galeristen Judy Lybke wohnen dürfen und als ich dort unter der Dusche stand, habe ich vor mich hin gesungen und festgestellt, das Badezimmer hat eine unglaublich gute Akustik. Den Gesang für das Video „Interlude“ habe ich dann in Judys Badezimmer aufgenommen, das war großartig!

Und wie kommst Du auf das Thema? Wie entwickelst Du die Story?

Das ist immer noch ein Mysterium für mich. Ich würde auch nicht sagen, dass ich eine Geschichte erzähle, es ist mehr eine Atmosphäre, die ich rüber bringen möchte. Wenn ich durch die Stadt gehe und wenn ich im Internet surfe, bleiben Bilder und Eindrücke in meinem Gedächtnis, die immer wieder auftauchen. Diese Bilder möchte ich auf Papier bringen und aneinander reihen, ich sehe, wie sie mit einander kommunizieren – das ist es, was mich fasziniert. Bei Animationsfilmen sind wir eigentlich eine chronologische Struktur gewöhnt, aber ich finde es aufregend, die Regeln an dieser Stelle zu brechen. Damit etwas Bedeutung hat, muss es nicht unbedingt in der von uns gewohnten Art Bedeutung haben. Anfangs dachte ich, ich mache mit meinen Filmen etwas Verrücktes und Unverständliches. Aber es gibt Leute, die erfassen, was ich ausdrücken will.

Katie Armstrong

„Interlude“ ist während Deines Aufenthalts in Berlin entstanden…

Ja, bei einem Arbeitsaufenthalt bei plug & play, dem Accelerator vom Axel Springer Verlag. Während ich mir drei Monate ein Arbeitszimmer mit verschiedenen Start-Ups geteilt habe, fing ich an, über meine Beziehung zur Technik nachzudenken. In dieser Zeit habe ich die regnerischen Herbstnächte am offenen Fenster verbracht und darüber nachgedacht, wie es ist in einer Stadt zu sein, die so anders ist als die Stadt, aus der ich komme. Das ruhigere Schritttempo in Berlin habe ich sehr genossen: Du kommst aus einer der tollen Bars auf die Straße und es ist ruhig, kein Verkehr der rauscht, keine eiligen Menschen wie in New York. Mein Mobiltelefon hatte keinen Empfang – auch das habe ich zu schätzen gelernt. „Interlude“ ist ein Tribut an den Raum außerhalb der sogenannten „Comfort Zone“, der Wohlfühlzone, dem Gewohnten; ein Lob auf die wundervolle Fremdartigkeit der Einsamkeit in einer Welt, die sehr globalisiert und vernetzt ist.

Der zweite Film „Show me where it hurts“ ist nach dem gleichnamigen Song der Pop-Sängerin Miley Cyrus benannt. Wie kam es dazu?

Als ich von Berlin nach New York zurück kehrte, gab es in Amerika gerade eine große Debatte in den Medien um den ehemaligen Kinderstar Miley Cyrus. Mit ihren Songs und Videos hat die Sängerin im letzten Jahr sehr aggressiv versucht, ihr Disney-Image abzuschütteln und gleichzeitig eine neue unabhängige und sexuell aufgeladene Identität zu schaffen. Mich hat dabei nicht die Musik interessiert. Es ging mir um die Heftigkeit, mit der die Debatte von Fans und Kritikern darüber geführt wurde, wie die junge Frau ihre Sexualität feiert anstatt sie zu unterdrücken.

Einige Bilder und Themen sind sehr prägnant in den Videos oder kommen gleich häufiger vor. Zum einen Motive aus der Natur, aus dem Stadtleben und nicht zuletzt technische Element wie das Mute-Zeichen, das Öffnen eines Rahmens am Bildschirm, das Vierteln eines Bildschirms oder das Ziehen eines Steckers. Wie passt all das mit dem Titel der Ausstellung „Dark Spring“ zusammen?

Das ist mein Weg, mich mit der Welt auseinander zu setzten. Der geteilte Bildschirm erinnert mich daran, wie schwierig es ist, sich im Internet zu fokussieren, wenn man ständig bombardiert wird mit Bildern und Informationen. Für mich sind zwei Textnachrichten zur selben Zeit schon zu viel, da werde ich nervös. Das Wetter und die Bäume, das sind für mich wichtige Faktoren im Leben, die mich beeinflussen. Motive wie das Schwimmen, das Sitzen am Fenster oder das Rauchen einer Zigarette stehen für Entspannung. Es geht um die Gegensätze im Leben, um Natur und Technik, um Anspannung und Entspannung. „Dark Spring“ ist die Autobiographie der Künstlerin Unica Zürn aus dem Jahr 1970, die ich in meiner Zeit in Berlin gelesen habe. Unica Zürn beschäftigt sich darin mit Sexualität, Unterdrückung und psychischen Krankheiten. Das sind Themen, die auch ich gerade erforsche. Der Rhythmus, die Stimmung und Atmosphäre in meinen Filmen stehen für die Poesie aller Dinge, egal ob hell oder dunkel.

Interview: Nina Fischer-Keese

Künstlergespräch: Katie Armstrong kennenlernen

Am Mittwoch, 26. März 2014, um 19 Uhr findet ein Gespräch zwischen Katie Armstrong, Gerd Harry Lybke, Robin Haak und Ulrich Schmitz (Axel Springer, Plug & Play) im Eigen + Art Lab in der Ehemaligen Jüdischen Mädchenschule (Auguststraße 11-13, 10117 Berlin) statt.

Ausstellung: Eigen + Art Lab

Die Animationsfilme und Zeichnungen sind in der Einzelausstellung „Dark Spring“ im Eigen + Art Lab in der ehemaligen Jüdischen Mädchenschule noch bis zum 26. März 2014 zu sehen.
Mehr zur Künstlerin findet ihr auf ihrer Webseite. Außerdem empfehlen wir euch das kurze Filmportrait, das während ihrer Zeit in Berlin entstanden ist: Film über Katie Armstrong.



Ausstellung im Eigen + Art Lab