Martina Hoogland Ivanow: Abgründe der Seele

Künstler Interview 

Martina Hoogland Ivanow: Abgründe der Seele

Die bekannte schwedische Fotografin Martina Hoogland Ivanow bringt ihre düster poetischen Bilder nach Berlin. Nadine Barth traf die Künstlerin vor dem Opening.

Martina Hoogland Ivanow_pricesMartina Hoogland Ivanow bei Swedish Photography am 6.2.2014, ©Dorothea Tuch

Martina Hoogland Ivanow – die Philosophin

Was sind Zwischenräume? Was ist Nähe, was Distanz? Welche Farbe hat Verletzlichkeit? Martina Hoogland Ivanow hat über diese Fragen nachgedacht. Sie hat mit ihren Bildern geantwortet. Mit dunklen, mystischen Fotografien, auf denen wenig zu erkennen ist, die umso mehr Spielraum lassen für Interpretationen. Bilder, die einen Raum öffnen. Die den Betrachter nicht festlegen.

Die meisten Fotos geben uns zu viele Informationen,

sagt sie – sie sagt es ganz lapidar, es schwingt nach.

Martina Hoogland Ivanow sitzt auf der Fensterbank bei Swedish Photography in der Karl-Marx-Allee. Ihre Augen sind sehr hell und klar, sie hat eine starke Präsenz, nimmt gefangen. Obwohl sie gerade mitten in der Installation der Ausstellung ist, konzentriert sie sich auf unser Gespräch, lässt sich nicht ablenken. Hinter ihr werden in diesem Moment zwei Bilder aufgehängt, sie hat vorher besprochen, wie sie hängen sollen, hat bestimmt, dass diese auf Aludibond aufgezogenen, randlosen, fast schwarzen Bilder auf einer anthrazitfarben gestrichenen Wand hängen sollen. Sie sollen übergehen in ihre Umgebung, eins werden mit dem Hintergrund. Bleiben wird nur die schemenhafte Idee dessen, was wir uns vorstellen. Ja, die Serie heißt „Speedway“, ja, es geht um das „Speedracing“, aber was sieht man eigentlich? Vereiste Bahnen, eine Figur, die auf dem Schnee kniet, in sich versunken, auch sie verbunden mit ihrer Unmgebung. Auf einem anderen Motiv: einen vorbeirasenden Schatten, aus dem Bild heraus in die Dunkelheit. From here to eternity. Irrende Lichter, ein roter Stoffetzen, Männer mit Helmen, die sich aufgestellt haben zu einer seltsamen Parade, Porträts dieser behelmten Kämpfer, ohne dass man ihr Gesicht erkennen kann – Abgründe, Abgründe der Seele.

Ich wollte, dass man seinen eigenen Assoziationen freien Lauf lassen kann. Jeder sieht diese Szenen anders. Jeder erlebt seinen eigenen Film mit ihr.

 Martina Hoogland Ivanow_BerlinMartina Hoogland Ivanow_photosMartina Hoogland Ivanow bei Swedish Photography am 6.2.2014, ©Dorothea Tuch

Speedway – vom Buchprojekt zur Ausstellung zum Buch

Martina Hoogland Ivanow spricht sehr schnell, ihr perfektes Englisch hat einen schönen Ton, es ist selber wie eine Spur zu einer anderen Dimension, die sie mit ihren Bildern aufgestoßen hat. Mit Mitteln der analogen Fotografie.

Die Schärfe der digitalen Fotografie passt nicht zu meiner Arbeit. Ich brauche die Flächen dazwischen. Hier beginnt der Raum für Visionen. Außerdem interessiert mich das stundenlange Bearbeiten der Bilder mit Photoshop am Rechner nicht. In der Zeit trinke ich lieber einen Kaffee in der Sonne.

Und so fotografiert sie nicht nur analog, sie printet auch analog – eine Seltenheit in der heutigen Zeit, gibt es doch nur noch weniger Labore, die entsprechende Maschinen haben. Für die Buchpublikation der Serie „Speedway“ machte sie die Vorlageprints selbst, die dann erst gescannt wurden. Natürlich stehen auch die Bilder im Buch auf schwarz, sehr anspruchsvoll im Druck, auf offenem, satten Papier, das Ergebnis ist gelungen. Der schwedische Verlag „Livraison“ hat es gerade herausgebracht, in einer limitierten Auflage von 666 Stück. Eigentlich sollte es schon vor Jahren erscheinen, bei Steidl, in der Edition Mack, dann wurde dort aber ein anderes Projekt vorgezogen: „Far too Close“, eine Meditation über Nähe und Distanz, eine Mischung von Familienporträts und Landschaften – aus Sibirien, Japan, Argentinien, Lappland.

Je näher Objekte auf einem Bild sind, desto weniger klar sehen wir sie,

sagt die Künstlerin und blättert mit mir durch ihre Bücher, zeigt auf den Rücken einer Frau, danach auf eine Straßenszene, ein Blick aus dem Fenster nach unten:

Wir brauchen den Abstand, um Dinge für uns zu ordnen, sie zu verstehen. Dieser Wechsel reizt mich.

Martina Hoogland Ivanow: SpeedwayMartina Hoogland Ivanow: SpeedwayAus der Serie „Speedway“, ©Martina Hoogland Ivanow, Swedish Photography Berlin

Martina Hoogland Ivanow: Von der Mode zur Kunst

Geboren in Stockholm 1973, Studium der Fotografie in New York, ein Jahr Paris, dann London. In der Mode-, Club- und Magazin-Metropole gehörte Martina Hoogland Ivanow schnell zum Zirkel junger Fotografen, die Blätter wie i-D, Dazed & Confused oder Another Magazine belieferten. Sie arbeitete für Kunden wie Prada, Miu Miu, Bergdorf Goodman oder Anna Sui. Immer wieder aber inszenierte sie freie Strecken, ließ ihrer Phantasie freien Lauf, probierte sich aus. Sehr bald hatten ihre Strecken mehr mit Kunst als mit Mode zu tun, und so verbrachte sie ein Jahr in Berlin als Stipendiatin am Künstlerhaus Bethanien. Mittlerweile sind ihre Werke in wichtigen Sammlungen vertreten wie dem Moderna Muset in Stockholm oder dem Victoria & Albert Museum in London. Die Galerie „Swedish Photography“ stellt Martina Hoogland Ivanow schon zum dritten Mal aus: 2010 mit der Soloshow „Far too Close“, 2013 in der Gruppenausstellung „Different Distances“ zusammen mit Julia Hetta, Elisabeth Toll, Denise Grünstein und Julia Peirone, und jetzt mit „Speedway“. Zusätzlich zu der Fotoserie wird Martina Hoogland Ivanows neue Videoinstallation „Annelise Frankfurt“ (2013) zu sehen sein. Hier geht es um die Tänzerin, Choreographin und Puppenmacherin Annelise Frankfurt (1926-2007). Auch dies eine Arbeit über Phantasie, über Räume und die Beziehungen der Menschen untereinander sowie ihrer Umgebung. Zwischenräume eben.

Ausstellung „Speedway“ bei Swedish Photography

Opening 6.2.2014, 19 Uhr
Martina Hoogland Ivanow: „Speedway“ läuft bis zum 15.3.2014
Swedish Photography
Karl-Marx-Allee 62, Berlin-Friedrichshain,