MAIK SCHIERLOH x GREEN|GONZALEZ

TALKING HEADS – NOVEMBER INTERVIEW  

MAIK SCHIERLOH x GREEN|GONZALEZ

2013 feierte die Bar Babette ihr 10jähriges Bestehen – zum 15. Jubiläum wird der Ausstellungsraum mitsamt seinem Barbetrieb geschlossen. Nach 190 Ausstellungen und unzähligen Events, die die Berliner Kunstszene bereicherten, wird diese Institution zu einem Renditeobjekt und folgt damit seinem Nachbar, dem Café Moskau.
Der Immoblienmogul Nicolas Berggruen wird den Mietvertrag nicht verlängern. Sein Vater, Heinz Berggruen, verkaufte seine hochkarätige Sammlung der Stadt Berlin, die ihn daraufhin zum Ehrenbürger ernannte. In diese Fußstapfen scheint sein Sohn nicht treten zu wollen.
GREEN I GONZALEZ sprachen mit dem Betreiber der Bar Babette Maik Schierloh.

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In einem Zeitungsartikel werdet ihr zitiert “Der Bar Babette werde das gleiche Schicksal ereilen wie dem benachbarten Café Moskau. Das sei für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, „außer für diejenigen, die das nötige Kleingeld aufbringen“, so das Babette-Team.” Das klingt zunächst mehr resigniert als kämpferisch….

Tatsache ist ja erstmal, dass der Mietvertrag auf 10 Jahre angelegt war und nicht verlängert werden wird, das sind erstmal Fakten und rechtlich ist somit alles glatt gelaufen – das ist kein Rauswurf. Wir begannen 2003 hier zu viert die Bar aufzubauen, die 2008 von der Berggruen Holding zusammen mit dem Cafe Moskau aufgekauft wurde. Damit verbunden war eine satte Mieterhöhung mit der Begründung, dass für die Bar ein Mehrwert durch das benachbarte Café Moskau entstehen sollte; was sich so nicht erfüllt hat. Das Café Moskau ist nach dem Kauf der Berggruen Holding von einem öffentlichen Ort zu einer geschlossenen, sehr exklusiven, Veranstaltungslocation mutiert. Dieser Wechsel bedeutete, dass ich von da an den Kosmetiksalon alleine betrieb und das unternehmerische Risiko alleine aufnahm. Da kosten die Ausstellungen teilweise mehr Organisation, Zeit und Geld, als dass sie etwas einbringen. Aber das ist nicht der Punkt.

Der Punkt ist, dass sich Investoren gar nicht darum scheren, dass das hier ein Ort ist, der für Künstler wichtig ist. Mit der Mentalität von Profitmaximierung haben Orte wie dieser hier einfach keine Zukunft.

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Und resigniert? Bin ich gar nicht: Ich bin den Vertrag eingegangen, habe mir überlegt, ob ich das tragen kann und machen will, habe unterschrieben, das war alles überschaubar. Aktuell findet diese profitorientierte Vernichtung von wichtigen Kunststandorten an mehreren Stellen statt, ob in den Uferhallen oder die Willner Brauerei. Das ist kurzfristig aus Investorenmentalität heraus betrachtet profitabel, aus gammeligen Kulturstandorten z.B. lukrativere Wohn-, Büro- oder Gewerbeflächen zu machen. Aber für wen? Für die, die nach Berlin kommen, weils hier so kreativ ist? Die Kreativität ist dann aber schon verdrängt worden, bevors zur Schlüsselübergabe kommt.

Schlau wäre ja eher zu sagen: Denjenigen Kulturschaffenden, die Kunst- und Kulturprojekte größtenteils ehrenamtlich machen, den Raum zu überlassen und weiter gestalten zu lassen. Noch schlauer: Bezahlt die Leute auch dafür, langfristig hat das doch den viel höheren Mehrwert für die Lebensqualität in der Stadt.

1710_03_Green_Gonzales_Bar_Babette_02-1Für viele die in den letzten Jahren neu nach Berlin gezogen sind, ist der Ausverkauf der Stadt eine sich im Prozess, aber doch noch in der Zukunft, befindende Perspektive. Wie beobachtest Du den Wandel der letzten 15 Jahre? Lass uns teilhaben, was Dein subjektiver Künstlerkosmos in Berlin 2002-2017 im Zeitraffer zeigt…           

1997 kam ich nach Berlin und 2001 haben wir das Lovelite und dann das Autocenter begonnen – das war kreative Selbstentfaltung, die für die heute 20jährigen gar nicht mehr nachvollziehbar ist: Der Friedrichshain war da noch dunkel, dreckig und voller Möglichkeiten. Nicht der Ballermann, der es heute ist. Auf dem RAW Gelände gabs nicht viel mehr als das Ambulatorium und jede Menge Freifläche um sich auszutoben. Wir haben also klassisch die Gentrifizierung begonnen, die jetzt unsere Kinder frisst. Heute ist der Spielraum kleiner, die Freiflächen selten, und ein Zwang zur Professionalisierung um Kosten zu decken, die wir früher in der Höhe nicht hatten, vor allem nicht für Raum.

Geht der Senat bzw die städtische Kulturpolitik nun zu wenig gegen die bevorstehende Schließung vor?

Klar: Politik muss regulieren und schützen, was Wirtschaft einfach platt walzt. Nur sind hier zwei Aspekte spannend, der eine ist, die Regierung ändert sich alle paar Jahre, also schlimmstenfalls beginnt man alle paar Jahre von vorne und langfristige Planung wird dadurch unmöglich gemacht. Der andere Aspekt ist ja auch ganz klar: Die Wirtschaft selbst hat eine moralische Verantwortung zu tragen, nur ist in der Lebenswelt eines Investors der symbolische Wert, der von Kunst und Kultur ausgeht zu abstrakt, nicht hart genug als Spekulation zu handeln. Das ist dann Aufgabe der Öffentlichkeit, hier mehr Druck zu machen. Was z.B. im Falle des Rückkaufes des Hauses der Statistik wichtig und ausschlaggebend war.

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Würdest Du Dir mehr Gegenstimmen aus den eigenen Reihen wünschen, welche Form des Protests würde die Entscheidung beeinflussen können?

Das betrifft alle kulturellen Bereiche, auch in der Musikwirtschaft verdrängen finanzielle Interessen kreatives Potential. Die Touristen und die Neu-Zugezogenen, die lieben doch die Stadt, für genau das, was immer mehr und mehr ausstirbt und nicht sein darf. Nur ist nicht zu erwarten, dass alle, die ihre täglichen Existenzkämpfe ausfechten sich als Gemeinschaft begreifen und protestieren, so läuft das nicht. Jemand muss die Leute an die Hand nehmen, niemand ergreift selbst gern die Initiative: Sobald eine Parole gefunden und eine Form des Protestes organisiert wird, dann machen wieder alle gerne mit. In der Hinsicht sind auch unter den Kulturschaffenden die Konsumenten in der Überzahl. Eine schöne Idee ist, wenn sich die Gemeinschaft das Mitbestimmungsrecht einfach nimmt. Was wäre, wenn alle Berliner, die zur Miete bei Immobilienspekulanten sind einfach alle auf einmal kündigen würden? Das ist doch ein tolles Szenario, wenn der Geldfluss, der die Grundlage zu allen (Fehl-) Entscheidungen ist, plötzlich und in schmerzhafter Menge von einem Tag auf dem anderen ganz selbstbestimmt umverlagert wird.

Seit den Anfangsjahren der Bar Babette sind 190 Ausstellungen gezeigt worden. Welche Ausstellung ist Dir besonders in Erinnerung geblieben und wieso?

Ach – das ist so eine Lieblingsfrage, die jede*r gern stellt. Na: Klar finde ich alle Ausstellungen super! Da gibt es keine, die besser oder schlechter als die andere ist. Was die Kunst angeht gibt es natürlich schon Geschmacksfragen, die mich aber gar nichts angehen. Wichtig ist doch, dass Künstler*innen ein Ort geboten wird, wo sie sich zeigen können, ins Gespräch kommen, sich entwickeln können. Darum geht es doch – so mit der Ausstellungsreihe ‚Solo for One‚ die immer sonntags stattfindet: Da sind Künstler*innen, die ein bestimmtes Projekt oder eine Arbeit zeigen wollen. Und hier können sie das tun, manch ein Experiment wagen – alles was damit zusammenhängt ist für alle eine großartige Erfahrung.

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Wie geht es jetzt weiter, hast Du vor einen dritten Projektraum zu eröffnen oder reicht es Dir vorerst?

Na ist doch klar! Ich mach die nächste Bar auf, die ist dann größer und noch geiler und es werden Ausstellungen stattfinden und das wird in Berlin passieren. Nun habe ich das Jahr über Zeit den richtigen Ort dafür zu finden und das ist natürlich hart und schwer. Aber da gehts hin, was soll ich denn von hier weg? Nee, ich werde mit meiner Familie vielleicht ein Gutshaus in der Uckermark klar machen und herrichten, in Storkow mit Kumpels ein riesiges Floß bauen und den Scharmützelsee hoch und runter tuckern. Das wird alles ein Riesenspass!

Authors: Barbara Green, Wayra Schübel von GREEN | GONZALEZ

Photos by: Kathrin Leisch