Ultra Utopia by Markus Keibel

INTERVIEW  

Ultra Utopia by Markus Keibel

Pigment, Glas, Feuer und Asche, eine stark konzeptuelle Herangehensweise und raumeinnehmende Installationen bestimmen seine Arbeiten. Sie fordern den Betrachter nachhaltig auf, für sich selbst zu denken. Markus Keibel´s Soloshow Ultra Utopia ist noch bis zum 22.10. in Berlin zu sehen, Ultra Utopia 2 eröffnet am 21.10. in Düsseldorf.

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Ein Gespräch mit Markus Keibel anlässlich seiner Soloshow die noch akutell bis zum 22. Oktober in der Anna Jill Lüpertz Gallery zu sehen ist, die von seiner Frau betrieben wird. Für uns ein guter Anlass am Ende des Gesprächs zusätzlich die kreative Zusammenarbeit beider mit zu beleuchten und auch Anna Jill Lüpertz in diesem Interview zu Wort kommen zu lassen.

Geist der Utopie

UltraUtopia by Markus Keibel

Eine zutiefst verstörende Klarheit ob des Chaos das allgegenwärtig um uns ist, und die Hand in Hand geht mit unserem inneren Schatten der immer auch eine Sehnsucht nach Einigkeit deutlich macht, und Frieden. Diese Spiegelungen hallen in uns wieder als wir uns Markus Keibel´s Installationen in seiner aktuellen Solo Show „Ultra Utopia – Liberating Verticals of a New Enlightenment for the 21st Century or to think for Oneself“ am Ende der Berlin Art Week ansehen. Ursprünglich getriggert durch seine auf der Positions gezeigte Arbeit aus dieser Serie. Nach und nach verstehen, dass die ganze Tiefe seiner Arbeit im Titel der Ausstellung auffordert und wiedergegeben ist. Man muss sich nur hineinfallen lassen.

In your Face. Was siehst du, kannst du wirklich erkennen, wenn du hineinsiehst in den Spiegel?

Wie groß ist dein Anteil, an der Aufklärung des Geistes, dem Heil und „Ganz“ werden der Menschheit? Wie definierst du Deine Existenz? Eine stark nachhallende Fragestellung wird hier ausgelöst, die uns an die Merkmale eines Fiebertraums erinnert. Die Arbeiten in ihrer Gesamtheit wirken wie ein Filter der die „eigentliche“ Realität und unsere Existenz im Alltag auflöst.

Alchemie im 21ten Jahrhundert

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Markus du hast u.a. Philosophie studiert, deine Ausstellungen beschäftigen sich oft in unterschiedlicher Form mit der Transformation in jeglicher Ausrichtung. Egal ob in Form von Mitmenschen oder der Realität des Alltags mit all seinen Objekten.

Das Studium der Philosophie war ein temporäres und nicht dafür ausgelegt einen Magister darin zu machen, sondern die offen gebliebenen Fragen des Kunststudiums zu beleuchten und durch Vertiefung zu konkretisieren. Dem visuelle Denken der Kunst eine begriffliche an die Seite zu stellen, war in dieser Zeit der zweiten Konzentration auf konzeptuelle Kunst notwendig und in der Theorielastigkeit der neunziger Jahre hilfreich.
Mit dem Hintergrund der Anthroposophie und einem beuys´schen Denken der sozialen Skulptur, ist die Transformation und die Metamorphose ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. So kann aus der Asche eines verbrannten Buches, durch die verwandelnde Kraft des Feuers, nicht nur eine Provokation entstehen, sondern auch eine neue Interpretation des Inhaltes in bildlicher Form. Alchemie im 21ten Jahrhundert.

Der Turm zu Babel

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Du greifst in deiner neuen Ausstellung den Turm zu Babel, bzw. das Ur-Trauma des Menschen des „Sich nicht Verstehen Könnens“, der fremden Sprache auf. In vielerlei Hinsicht bewegen wir uns in der heutigen Zeit mit hoher Geschwindigkeit in einem Raum der absoluten und ständigen Kommunikation die uns absurderweise oft eher mehr entfremdet. Wie siehst du das?

Das verbrennen von Büchern und die Recherche nach Indexlisten, z.B. die des Vatikans oder von Facebook, sind ein Nach-Und-Vordenken über die Auswirkung der Digitalisierung der Welt und ihren damit verbundenen Veränderungen. So verkürzt sich z:B. unser Leseverhalten auf 140 Zeichen und unsere Aufmerksamkeit kann sich schwerlich auf lange Zusammenhänge konzentrieren. Aus einem empirischen Wissen wird ein Meinungswissen, siehe eine Enzyklopädie im Vergleich zu Wikipedia. Die Errungenschaften der Aufklärung gehen verloren und wir verirren uns im Dschungel der Informationen. Ein Turm zu Babel, eine Vertikalisierung, um Überblick zu erzeugen, wäre wünschenswert, wie wir wissen, aber auch sehr vermessen.

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Zur Zeit wird wieder viel über die Verantwortung der Künstler gesprochen, aufzuzeigen wo Dinge im Argen liegen, politisch Position einzunehmen. Auf mich haben deine Arbeiten extrem verunsichernd und gleichzeitig sehr klar gewirkt. Wie eine Momentaufnahme des Ichs, aber gleichzeitig des eigenen Schattens, man kann dem nicht entgehen. Denkst du wir haben überhaupt noch die Gabe so eine Chance der Wahrnehmung zu erkennen und vor allem umzusetzen?

Den Freiraum den ein Künstler von der Gesellschaft bekommt oder sich nehmen muss, birgt eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft in sich. Der Künstler ist Entdecker eines neuen geistigen Raumes und sollte von seine Erfahrungen verbindlichen und hinweisen auf das was war und das was kommen kann und soll.

Kunst ist keine Erfüllungshilfe für Interessen von Anderen, sondern größtmögliche Freiheit.

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Und wo siehst du deine Rolle als Künstler in der Gesellschaft in diesem Zusammenhang?

Ich bin, wie alle anderen Menschen auch, ein Bildender an dem sozialen Organismus. Jeder nach seinem Können und Ermessen. Als Künstler bin ich aber auch Visionär, der sich von den Ansprüchen des alltäglichen entfernt, um das hervor zu heben, was den Menschen und seine Kultur ausmacht und erweitert. Ich bin Sinnstifter.

Wenn diese Arbeiten in den öffentlichen Raum integriert werden würden, wo sie meiner Meinung nach hingehören, welchen Platz würdest du dir aussuchen?

Eine Agora, eine Speakers Corner direkt vor dem Reichstagsgebäude, dessen Inschrift: dem deutschen Volke, wie von Hans Haacke vorgeschlagen endlich in: der deutschen Bevölkerung geändert werden sollte.

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Kreativ und künstlerisch arbeitende und schaffende Paare waren schon immer faszinierend. Ist das deiner Meinung nach ein Klischee, wie geht es dir damit?

Anna kommt aus einer Künstler-und-Galeristenfamilie und versteht dadurch die notwendige Kompromisslosigkeit die die Kunst erfordert. Für mich ist es lehrreich, die Seite der Galeristin und ihre Herausforderungen, kompromisslose Kunst zu vermitteln und auch zu verkaufen kennen zu lernen.

Wir ergänzen uns, ohne unsere Individualität zu verlieren.

Eine Beziehung auf Augenhöhe. Ist toll.

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Anna, du kommst aus einer Künstlerfamilie, hast dieses Leben von klein auf als normal erlebt oder war das anders?

Für mich war die Kunst immer ein essentieller Teil des Lebens. Unser gesamtes Leben war stets verwoben mit den Werken, den Künstlern und den Gesprächen – und natürlich auch mit dem Alltag einer Galerie. Kunst ist für mich wie eine Sprache, in die ich hineingewachsen bin.

Gibt es eine Situation einen Moment der für Dich ausschlaggebend war, ein Künstler, eine Arbeit die dich besonders gepackt hat?

Einen singulären Moment könnte ich jetzt nicht benennen. Kunst ist für mich eine Notwendigkeit. Beruflich habe ich mich allerdings nicht sofort für die Galeriearbeit entschieden – es gab andere Berufe davor. Letztendlich war der Ruf der Kunst dann doch zu laut und ich bin ihm gefolgt.

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Du hast unter anderen in New York gearbeitet und hast den direkten Vergleich zu Berlin in Bezug auf das Führen einer Galerie, gib uns bitte deine Pro´s & Contras aus deiner Erfahrung zu beiden Städten!

Ich habe ganz klassisch in der Michael Werner Galerie das Galeriehandwerk gelernt. So hatte ich relativ schnell die Chance, auf internationalen Messen und auch in New York Erfahrungen zu sammeln. Mit meiner eigenen Galerie agiere ich regelmässig auch ausserhalb Berlins.
Anfangs hatte ich immer sehr großen Respekt vor der New Yorker Kunstwelt. Alles ist dort sehr schnell, sehr professionell und zeichnet sich durch eine gewisse Härte aus. In Berlin scheint das alles erst einmal einfacher. Die Gesellschaft, sofern man davon überhaupt reden kann, ist durchlässig. Der Zugang zu allen Kreisen zunächst unproblematisch, jeder hat irgend etwas vor, es entsteht und vergeht vieles und irgendwie scheint die Mehrheit der Menschen, nicht wirklich erwachsen zu sein.
Tatsächlich hat sich Berlin aber seit einigen Jahren ganz leise verändert. Der Tanz auf dem Vulkan scheint vorbei zu sein. Das „alles ist möglich“ Gefühl ist wenig spürbar. Eine Galerie in diesem Umfeld zu führen, ist zu Weilen etwas mühsam. Tatsächlich glaube ich fast, dass einige Aspekte New Yorks, vor denen ich vor Jahren noch Respekt hatte, heute die Dinge sind, die ich ungemein schätze – Schnelligkeit, Professionalität und Klarheit. Auch die Härte schreckt mich nicht mehr, sondern weckt viel mehr meinen Ehrgeiz. Ich freue mich immer, dort Projekte zu realisieren.
Dessen ungeachtet liebe ich Berlin sehr und werde auch mit meiner Galerie als Hauptstandort hier bleiben.

photo credit: Cordia Schlegelmilch

Parallel hast du gerade eine Solo Show mit Pola Sieverding eröffnet, was erwartet die Besucher hier, was gibt es hervorzuheben deiner Meinung nach in ihrer Arbeit?

In meinem temporären Raum in der Neustädtischen Kirchstrasse 3 in Berlin Mitte zeige ich eine Soloausstellung der Künstlerin Pola Sieverding im Rahmen des European Month of Photography. In dieser Ausstellung zeigen wir Fotoarbeiten aus zehn Jahren, zusammengefasst unter dem Thema des klassischen Portraits.
Um diesen Aspekt noch zu verstärken präsentieren wir die einzelnen Arbeiten auf farbigen Flächen, die die Stimmung alter Gemäldesammlungen und Herrenhäuser evozieren.
Insgesamt fasziniert mich an Pola Sieverdings Arbeiten, der stark konzeptuelle Ansatz, über den sie in unglaublicher Präzision Werke schafft.
Die Ausstellung ist noch bis zum 28. Oktober geöffnet.

Eigentlich war mir klar, dass ich auf keinen Fall einen Künstler heiraten wollte.

UltraUtopia by Markus Keibel

Was schätzt du an Markus Arbeiten oder Ansatz besonders, ist es nicht auch schwierig als Galeristin mit einem Künstler verheiratet zu sein?

Eigentlich war mir klar, dass ich auf keinen Fall einen Künstler heiraten wollte. Es war mir aus meiner familiären Erfahrung völlig bewusst, dass die Kunst immer und ständig an erster Stelle steht.

Die Kunst erlaubt keine Kompromisse und verzeiht Schwächen schlecht.

Letztendlich sind das aber auch die Dinge, die ich an Markus sehr schätze – die Hingabe, die Auseinandersetzung und selbstverständlich auch die gemeinsame Sprache der Kunst, die wir teilen.
Würde mich seine Kunst nicht derart faszinieren, wäre ein Zusammenleben schwierig. Die Vorstellung mit einem schlechten Künstler zu leben, ist unmöglich für mich. Glücklicherweise ist Markus Keibel ein sehr guter Künstler.

UltraUtopia by Markus Keibel

Markus Keibel, Booth Positions 2016

Welches sind deine persönlichen Highlights für das kommende Jahr?

Eigentlich sind alle meine Projekte und Ausstellungen Highlights für mich. Das spiegelt sich nicht immer in der Aufmerksamkeit in der Presse wider. Es gibt sehr leise und kleine Ausstellungen, die mir besonders am Herzen liegen. Für mich ist es sehr schwer, ein Ranking anzulegen.
Momentan freue ich mich, abgesehen von den beiden aktuellen Ausstellungen von Pola Sieverding und Markus Keibel allerdings auf die kommende Einzelausstellung des Malers Olaf Hajek, die ich am 3. November in München (Brienner Str. 48) von 18- 22 Uhr eröffne. Das wir mein erstes Gastspiel in München und ich bin schon sehr gespannt!

ULTRA UTOPIA – LIBERATING VERTICALS OF A NEW ENLIGHTENMENT FOR THE 21ST CENTURY OR TO THINK FOR ONESELF – A SOLO SHOW BY MARKUS KEIBEL

16.9. –  22.10. 2016 | Anna Jill Lüpertz Gallery | Potsdamer Str. 98 a, 2. Hinterhof in 10785 Berlin

http://www.ajlgallery.com

ULTRAUTOPIA 2
3 METAPHORICAL STONES FOR A VERTICAL THINKING OF A NEW ENLIGHTENMENT OR TO THINK FOR ONESELF by MARKUS KEIBEL

OPENING Fr 21.10.2016 7pm
22.10. – 25.11.2016
open by appointment | Studio for Artistic Research | Ackerstr. 33 in 40233 Düsseldorf

www.studioforartisticresearch.com

photo credit: Martin Peterdamm

photo credit Ausstellungsansichten: Cordia Schlegelmilch