Elisabeth Ehmann & Markus Manowski. Berlin meets Monaco.

INTERVIEW 

Elisabeth Ehmann & Markus Manowski. Berlin meets Monaco.

Seid 1995 lädt die Unesco jährlich gemeinsam mit dem „National Monegasque Committee for the Visual Arts“ unter der Schirmherrschaft von Prince Albert II von Monaco zu einem Kunstsalon. Ziel ist die Förderung, sowie der Austausch von internationalen Künstlern. Wir haben das Berlin based Künstler Paar Elisabeth Ehmann und Markus Manowski kurz vor der Abreise in ihrem Atelier in der ehemaligen Stasi Hauptzentrale getroffen und mit Ihnen über das diesjährige Thema des Salons „BIZARRE“ gesprochen.

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Ein November Morgen in Berlin. Hohenschönhausen. Grauer Himmel, Verwirrung. Wo bin ich. In Hohenschönhausen fällt es leicht sich vorzustellen, wie es damals so war in Berlin zu DDR Zeiten zu leben. Ein strikte Architektur, geplantes „Miteinander“. Nämlich den anderen. Der Stasi. Jeder zweite soll dabei gewesen sein. Mit abgehört, beobachtet, denunziert haben. Eine bizarre, klaustrophobische Vorstellung die durch die systemische Architektur der hier allgegenwärtigen Plattenbauten nur noch verstärkt wird. Dann kommt die Sonne raus, und das Licht bekommt diese milchige Weichzeichner-Konsistenz, Elisabeth Ehmann und Markus Manowski springen aus ihrem Auto, und wir betreten die ehemalige Hauptzentrale der Stasi, um genau zu sein den technisch-operativen Sektor. Hier wurden Überwachungsgeräte hergestellt. Um zum Atelier zu gelangen gehen wir durch einen Gang dessen Wände aus dickem Glas bestehen und der durch die einfallende Novembersonne und der wild und grün bewachsenen Außenwände eine Art tropisch-beruhigenden Licht-Tunnel bildet, ein willkommener Gegensatz zur Atmosphäre vor dem Gebäude.

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Insgesamt acht deutsche Künstler aus Leipzig und Berlin wurden dieses Jahr nach Monaco eingeladen, kuratiert wird von Esther Niebel von der Leipziger Galerie THE GRASS IS GREENER und Stefania Angelini vom L’ATELIER-KSR.
Das diesjährige Thema BIZARRE wird mit diesem Statement umrissen:
 
When we stand back for a moment and reflect on our daily actions,
everything becomes Bizarre!
When we abstractly concentrate on a single word, repeating it, it suddenly
becomes utterly Bizarre!
And what could better define our world, this encrypted reality?
 

So unterschiedlich die jeweils ausgewählten Arbeiten der beiden für den diesjährigen Kunstsalon in Monaco auch sind, Elisabeth Ehmanns erste Outdoor Installation und Markus Manowski´s großflächige Ölmalerei, eine gewisse Absurdität, sowie das Tool der Collagierung, auch wenn unterschiedlich angewandt ist bei beiden zu erkennen.

Sushi Mushi - Elisabeth Ehmann

Elisabeth du bewegst dich ja in zwei sehr interessanten Feldern in deinen Arbeiten, der Skulptur und die Collage. Wie kam es dazu?

Diese Verbindung von Skulptur und Collage ist entstanden, da ich die Collage aus ihrer Zweidimensionalität befreien wollte. Mit diesem Ziel vor Augen habe ich meine ersten Arbeiten ‚UNIKAT sculptures’ realisiert.

Ich wollte Gegensätze aufzeigen, Schuld und Unschuld gegenüberstellen, indem ich auf den ersten Blick unschuldig erscheinende Körper mit explizit pornografischem Material collagiert habe.

Dadurch wurden die Körper umhüllt und eine Tarnung erschaffen. Diese Art zu arbeiten hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Heute arbeite ich primär mit Strukturen: So gebe ich den Figuren mehr Raum und identifiziere die Feinheiten und Charakteristika der Skulpturen. Ich arbeite mit Bildmaterial aus Fotomagazinen, Katalogen, vergessenen Büchern und zerschneide diese bis nur noch Fragmente übrig bleiben, die lediglich als Struktur und nicht mehr als Bild wahrgenommen werden. Die zerschnittenen, fragmentierten Teile, sehe ich als Symbol für die Vergänglichkeit der Produkte und deren kurzlebigen Werte, die strukturgeprägten Schnipseln als Allegorie für den strukturellen gesellschaftlich verankerten Konsum.

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Ich versuche durch die Verschmelzung der Collage und der Körperlichkeit der Objekte, verschlüsselte, groteske Motive zu erschaffen, die neben dem ästhetischen Wert vielleicht auch Unbehagen vermitteln.

Gegenstroemer

Markus, erkläre uns deine gedankliche oder emotionale Basis auf der du arbeitest, bzw. was steht am Anfang?

Es gibt nicht wirklich einen Anfang, eher einen Fluß von Entscheidungen dessen Quelle irgendwo weit zurück liegt. Mich interessiert nach wie vor dieser Gegenpol zu den Fluten von oberflächenlosen, medialen swipe-off Images. In meiner Praxis recherchiere ich viel bevor ich vor die Leinwand trete, mache notizen, skizziere auf dem Papier und collagiere mit Fotos. Der ganze Prozess verstrickt dann stellenweise diese Schritte mit einen emotionalen Feld. Eine Emotion würde ich als eine seltsame, formlose und vielleicht hypothetische Erscheinung beschreiben, die man sich zum Freund oder Feind machen kann. Mir gefällt der Gedanke das ich durch meine Arbeit dieser Erscheinung zu einer Form verhelfen kann, die sich sonst in mir totzirkulieren würde. 

Ich sehe die Malerei als einen Gedanken dem ich eine Theorie des Sehens einverleibe. 

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Vor zwei Jahren hatten wir Gelegenheit mit dir zu sprechen, im Rahmen deiner ersten Soloshow als Maler. Was ist in der Zwischenzeit bei dir alles passiert, wie hat sich dein Ansatz, deine Malerei entwickelt?

Nach der Einzelausstellung 2014 (ArtBerlin Interview Vom Rave ins Museum) folgte ich erstmal dem Impuls eine Atelierpause einzulegen und über meine Arbeiten bzw. die Ausstellung zu reflektieren, denn in der Vorbereitungsphase gab es dafür keine Zeit. Diese Zeit war sehr intensiv und die Ausstellungssituation war neu für mich. Ich brauchte eine Weile um eine gewisse Distanz zu gewinnen um meine Schlüsse daraus zu ziehen. Ende 2014 begab ich mich 5 Monate auf Welttour mit meiner Musik und in den anschließenden anderthalb Jahren, nach der Veröffentlichung meines letzten Albums,  habe ich schrittweise meine Auftritte verringert und das Musikmachen zu meinen Bildern ins Atelier verlegt. Ich habe einfach viel ausprobiert, z.B versucht Musik und Malerei irgendwie zusammenzubringen, obwohl mir eigentlich klar war das man das nicht lösen kann, ausser eine Pseudomorphose zu erzeugen. Beides hat sich jedoch durch den räumlichen Zusammenschluss viel stärker beeinflusst, meine Bilder sind seitdem heller geworden. Die Malerei verfolge ich auf die selbe Weise weiter, der Ansatz ist der gleiche, nur das sich Verästelungen entwickelt haben. Neben den Ölbildern fing ich auch mit mixed media Arbeiten an. 

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Euer Atelier liegt in der ehemaligen Stasi Hauptzentrale, um genau zu sein im ehemals operativen Sektor in dem die Überwachungsgeräte hergestellt wurden. Gleichzeitig beschäftigst du dich in einer neuen Arbeit mit dem sogenannten Mandela Effekt, bzw. dem False Memory Effekt. Kann man also sagen der Ort in dem du arbeitest hat dich beeinflusst?  Und kannst du uns etwas zu deiner Faszination bzgl. diesen Effekts und Syndromes erzählen?

Bestimmt hat mich das Gebäude und dessen Historie in irgendeiner Art und Weise beeinflusst, aber ich könnte jetzt nicht genau sagen wie und womit. Es klingt absurd aber dieser Gebäudekomplex war damals ein kreativer Ort, ein Entwicklungszentrum in dem Ingenieure, Physiker und Chemiker elektronische und optische Abhörtechnik wie Agentensender, Spionagekameras und Geheimschreibmittel herstellten, sowie Reproduktionen von Dokumenten und Pässen. Die Überwachung und das Abhören erfolgte sogar intern. Im Atelier konnte ich aber keine versteckten Wanzen mehr finden.

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Der Mandela-Effekt wird von Verschwörungstheoretikern als eine im Kollektiv verfälschte Erinnerung an bestimmte Ereignisse beobachtet, und die daraus abgeleiteten, überaus witzigen Theorien – z.B die Existenz von Paralleluniversen. Interessant für mich ist die zugrunde liegende Tatsache das Erinnerungen sehr anfällig für Verzerrungen sind. Der False-Memory Effekt. 

Ich erkläre mir das Gedächtnis als eine Vorstellungskraft im zeitlichen und kausalen Zusammenhang, quasi als ein Band zwischen uneinheitlichen Wahrnehmungen, die als Muster abgerufen werden.

Also alles ziemlich interessante Dinge die man in ihrer abstrakten Erscheinung bildlich umsetzen kann. In der mixed media Arbeit geht es auch um den Versuch die Rekonstruktion eines wirren Gedankens darzustellen, durch die Übersetzung der Eigenschaften die dem False Memory Effekt zugeschrieben werden, wie etwa Zerfall, Zerstreutheit, Blockade, Fehlattribution, Suggestibilität, Verzerrung, Intrusionen und unbewusste Übertragungseffekte. 

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Ich fand es ansprechend da all diese Attribute auch der Malerei, oder anders gesagt, der Erstellung eines Bildes anhaften können, aber genauso gut einen Gesellschaftszustand oder Soziale Beziehungen anspielen. Die Rhythmische Struktur in dem Bild könnte die Abstraktion des neuronalen Musters sein, das abgerufen wird, wenn wir uns erinnern.

Mir war es wichtig diesen Error der Ausgrabung einer Erinnerung darzustellen, etwas nachlässig, mit schiefen Kanten, Andeutungen, Verblassung, Staub.

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Elisabeth, was ist der Zusammenhang zwischen dem Ausstellungsthema BIZARRE und deiner Installation?

BIZARRE kann absonderlich, ungewöhnlich, eigenwillig, seltsam geformt bedeuten. In meiner Arbeit stelle ich schwarze Fische dar. Nur an Land und in Starre können sie betrachtet werden, kann der Betrachter sich räumlich in Beziehung zu ihnen setzen und wird vielleicht selbst ein Teil des Schwarms.

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Die Arbeit hat eine sehr starke Ausstrahlung, es ist fast als würden die Fische einen heiligen Kreis bilden, ein Energiefeld aufbauen. Hast du diese Wirkung von Anfang an intendiert?

Ich habe bei der Arbeit ‚MEET ME AT THE CENTER STAGE‘ zum ersten Mal mit Bronze gearbeitet. Alleine der Prozess, die Fische in der Gießerei entstehen zu sehen, hat etwas Magisches. Die Arbeit besteht aus sieben Elementen, sieben Säulen aus rostigen Eisen in variablen Größen, mit sieben in schwarz patinierter Bronze gegossenen Fischen. Die Anzahl der Fische, die Wahl der Materialien und die kreisförmige Anordnung, entstanden intuitiv. In diesem Moment war mir jedoch noch nicht klar, welche Wirkung die Installation in Originalgröße erzeugt. Dass die Platzierung der einzelnen Elemente zueinander nicht nur einen Kreis, sondern ein Heptagon ergeben, welches in der Architektur als Symbol der endlosen Stille verwendet wurde, zeigte sich erst während der Arbeit.

Die Zahl sieben ist meine Zahl.

Dementsprechend kam für mich keine andere Anzahl der Fische in Frage. Außerdem steht die Zahl sieben symbolisch für viele Dinge, die mir wichtig sind: für Geist, Seele und Körper. Außerdem gibt es die sieben liberalen Künste und die sieben Spektralfarben in der Farbenlehre.

Im Rückblick entstand eine Arbeit, deren Bedeutung mir erst mit der Zeit klar wurde.

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Und warum die Fische?

Die Fische, genauer genommen sieben Kois, sind ein Symbol für Bewegung in alle Richtungen.

Markus, was ist für dich bizarr?

Donald Trump, Flüchtlingsbekämpfung, Klimaneutralität

BIZARRE

GUESTS OF HONOR: GERMAN ARTISTS INVITES D’HONNEURS ARTISTES ALLEMANDS

Stephan Backes, Undine Bandelin, Georg Brueckmann, Oliver Czarnetta, Elisabeth Ehmann, Ingar Krauss,
Markus Manowski, Cyril Massimelli | Curated by Stefania Angelini and Esther Niebel
 
Duration: 03. December – 18. December 2016 | Opening times: Monday – Sunday, 1 to 7 pm
Vernissage: 02. December 2016, 7 pm
The National Monegasque Committee of
the International Association of Fine Arts
(A.I.A.P) with the UNESCO
 
photo credit: Martin Peterdamm