Ina Schoenenburg

Watch out: Fotografie 

Ina Schoenenburg

Ina Schoenenburg fotografiert sich schon mal nackt oder kopfüber im Waschbecken. Die Fotografin zählt zu den Talenten der jüngeren Berliner Künstler.

Ina-Schoenenburg

Ina Schoenenburg: Keine Angst vor nackt und ungeschützt

Ich treffe Ina Schoenenburg im Café Oliv. Oliv – aus Liebe haben die Besitzer es getauft und es fühlt sich irgendwie passend an mit der jungen Fotografin, die ihr Studium an der renommierten Ostkreuzschule für Fotografie abgeschlossen hat. hier zu sitzen. Im Laufe unseres Gespräches wechseln wir drei Mal den Platz. Es sei bestimmt zu laut für mein Aufnahmegerät, sagt Ina. Mir scheint aber, ihrem Bestreben liegt ein ganz bestimmtes Ziel zugrunde: den Platz rechts hinten in der Ecke zu bekommen. Den hatte sich Ina schon von Beginn an ausgesucht – da will sie hin und da werden wir später auch ankommen. Ohne Frage der Tisch mit den besten ästhetischen Vorzügen.

Ich möchte nicht nur die pure Wirklichkeit widerspiegeln, sondern auch meinen Blick auf die Dinge zeigen.

Die Motive der jungen Fotografin sind privat, fast schon intim und manchmal auch entblößend. Sie suggerieren Nähe und zeugen von Bekanntem, man kann sich selbst in Inas Motiven widererkennen, in den vertrauten Situationen, die sie schonungslos abbildet. Zum Beispiel in ihrer Serie Blickwechsel von 2011/2012.

Ina Schoenenburg: BlickwechselIna-Schoenenburg-berlin

Blickwechsel

Familie lässt sich schwer erklären.

So fängt der Begleittext zu Blickwechsel an, die Serie, mit der Ina die Ostkreuzschule für Fotografie bei Sibylle Fendt abgeschlossen hat. Mit ihr ist ein Generationsportrait entstanden, in dem es um das Älterwerden, um das Jüngersein und um das Ineinandergreifen dieser Welten geht.

Ina Schoenenburg hat ihre eigene Familie als Modell für jenes Beziehungswirrwarr inszeniert. Die Künstlerin macht keine „Seelenschau“ daraus, wie sie es nennt sondern zeigt mit einem sehr intimen Einblick in die Verflechtungen ihrer eigenen Familie jene wohl bekannte Gefühlswelt aus Vertrautheit, kindlicher Erinnerung und Wehmut auf.

Ich glaube, meine Mutter war sehr dankbar für mein Interesse ihr gegenüber.

Ein ganzes Jahr lang ist Ina für die Arbeiten zwischen Berlin und dem Zuhause ihrer Familie in Ostvorpommern gependelt. Das Alltägliche findet man eben nicht mal auf die Schnelle, das braucht Zeit. Auch, weil die Fotografin dort nie gelebt hat. Ihre Kindheit hat sie in Berlin verbracht, genauer in Friedrichsfelde Ost. Auch darüber gibt es eine essayistische Bilderserie: Berlin Friedrichsfelde Ost von 2010. Egal, wie man zu ihr steht, eines ist klar: an der Familie arbeitet man sich ab.

Ursprünglich wollte ich das schwierige Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter bebildern, was im Endeffekt nicht sehr gut gelungen ist. Trotzdem ist eine ganz liebevolle Geschichte über uns entstanden mit großer therapeutischer Wirkung.

Dabei hat ihr die Kamera Schutz und Tiefe gleichermaßen gewährt.

Ina Schoenenburg: duIna Schoenenburg: du

Ina Schoenenburgs Selbstportraits – grausame Einsamkeit

Wir ziehen um und sitzen nun am zweiten Tisch, immerhin schon ein Fensterplatz. Während vor dem Café Menschen mit Einkaufstüten vorbeihetzen, hinter uns die nächste Jungfamilie Pain au chocolat bestellt und das Mädchen neben mir ihren Latte Macchiato und die Konversation auf Facebook sichtlich genießt, packt Ina die Prints ihrer Selbstportraitreihe du aus und legt sie zwischen uns auf den Tisch. Das erste zeigt eine nackte Frau, ungeschützt und allein in einem heruntergekommenen kalten Raum, dessen Nutzen längst überflüssig geworden zu sein scheint. Im ersten Moment strahlen die Bilder der Serie eine absolute Kälte und fast schon grausame Einsamkeit auf mich aus und ich kann mich der Frage nicht verwehren: warum diese Bilder, warum bringt sie sich selbst in eine solche Situation? Sie wird es mir erklären und mir dadurch keinen anderen aber einen erweiterten Blick auf ihre Fotografie geben.

Ich hatte große Lust etwas auszuprobieren, intuitiv und verspielt.

Du ist in den alten Gemäuern der ehemaligen Brauerei Bötzow entstanden. Einst die größte Privatbrauerei Berlins wurde das historische Gelände umgebaut und Anfang 2012 von den neuen Besitzern mit dem Fotografiewettbewerb Auf Bötzow reaktiviert. Ina Schoenenburg war eine von achtzehn Studenten der Ostkreuzschule, die hier teilnahmen. 

Der Raum hatte etwas bühnenhaftes, etwas dramatisch-theatralisches.Ich war auf Anhieb von dem alten pittoresken Gebäude mit den überhohen Räumen, Säulen und verrückten Tapeten, die von der Decke hingen fasziniert. Ich wollte auf keinen Fall nur die Räume fotografieren, sondern in ihnen eine Geschichte erzählen. Während der Arbeit ist mir bewusst geworden, dass ich Gefühle, sowie Reaktionen auf diese Gefühlszustände darstellen möchte. So symbolisiert jedes Bild eine Emotion.

Ihre Posen auf den Bildern lösen Gefühle aus, die wohl jeder kennt: Von Wut bis zu Einsamkeit, Tod, Gewalt und „hängen lassen“ ist fast alles dabei. Wie sie so nackt und ungeschützt inmitten des bedrohlich wirkenden Raumes die Beine umklammert sieht sie sehr zerbrechlich aus, nur durch das fahle Sonnenlicht hält sie sich am Leben fest – einsam und traurig. Gefühle, die man nicht unbedingt haben möchte, die aber jeder in sich trägt. So ist auch diese Arbeit ein Prozess und eine Auseinandersetzung mit der Beziehung, der Beziehung zu sich selbst.

In diesem Bild, in dem ich hinter der Säule sitze, sehe ich mich weniger in einer Opferrolle, sondern meine eigene Wut, die sich hier äußert. Trotzdem dachte ich mir schon kurz: was ist mit dir los? Da schmeiß ich doch wirklich eine Tomate an die Säule, die das Blut darstellen soll!

Die Fotografien haben aber auch witzige Momente in sich, selbst die eher schrägen Motive wie das Bild im Waschraum, indem Ina kopflos mit charmant aufblitzenden roten High Heels im Waschbecken steckt.

Vertrauen braucht Zeit.

Aktuelle Arbeiten und Ausstellungen

Nachdem wir nun am gewünschten Tisch ankommen, darf unser Gespräch sein Ende mit einem Ausblick in die Zukunft der Fotografin finden. Seit Ende 2012 arbeitet Ina Schoenenburg nun als freischaffende Fotografin und hat am 18. Mai ihre aktuelle Ausstellung Blickwechsel in München in der Färberei zum Launch des Magazins Salopp eröffnet. Außerdem plant sie weitere Projekte im Bereich der Reportage- sowie Portrait-Fotografie. Und: Ina fotografiert für ARTBerlin Künstler und Sammler. Mehr zu ihr auf ihrer Webpage Ina Schoenenburg

Ich schieße noch ein paar Portraitaufnahmen von Ina – das Licht ist wirklich schön an diesem Tisch.